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Euro 2012

Die Euro 2012 ist zu Ende, die erste Traurigkeit und Frust sind abgeklungen. Es ist Zeit einen Schlussstrich und ein Resümee zu ziehen.

Die Schlagzeilen waren nach der Niederlage im Halbfinale gegen Italien ziemlich eindeutig – mit wenigen Ausnahmen wurde die Startaufstellung von Jogi Löw als Grund für die Niederlage gesehen. Außerdem, dass die deutschen Kicker einfach keine „Panzer“ mehr hätten.

Zwei Beispiele:

Express: Wie bitter! Bisher war Joachim Löw bei der EM als „Pokerface“ gefeiert worden, im Halbfinale gegen Italien hat sich der Bundestrainer jedoch verzockt. Seine personellen Wechsel beim Klassiker gegen Italien brachten diesmal nicht den gewünschten Erfolg.

kicker.de: „Aus der Traum: Joachim Löw hat sich verzockt“

Aber es gab auch andere Stimmen, die nicht einfach nur draufhauten. Am besten treffen es für mich die Dänen:

Jyllandsposten: „Die Deutschen machten so groteske Abwehrfehler, wie man sie nicht für möglich hielt. Was in aller Welt hat Hummels getan, als Cassano mit der Leichtigkeit eines Sommervogels an ihm vorbeiflog? Lahm? Der Kapitän stand schlicht noch nie falsch auf dem Platz – bis Montolivo einen langen Ball spielte und ihn wie einen gewöhnlichen Kicker am Sonntagmorgen aussehen ließ.”

Was mich aber voll aufgeregt hat, war die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Dort gab es eine ganze Seite zum scheitern, hier die Überschriften und Auszüge:

Ist Joachim Löw noch der richtige Bundestrainer? […] mit so viel Qualität können auch andere Trainer gut und gerne etwas anfangen.

Warum sind keine Verrückten wie Balotelli im Team? […] Wenn Fördersysteme schon mit 13, 14 Jahren umfassend greifen und längst alle Jugend-Nationalspieler nur noch in Bundesligavereinen zu finden sind, die am Ende funktionierende Profis für die komplexeren Anforderungen im Fußball- und Medienbetrieb produzieren wollen, werden Abweichungen von der Norm seltener …Aber diese Spieler – denen es erlaubt war, ihre Schwächen zu Stärke zu machen – können dann, wie die Italiener Balotelli oder Cassano, jenen Schuss Wildheit und Wahnsinn mit ins Spiel bringen, der den Unterschied ausmachen kann […]

Warum verliert Deutschland immer die entscheidenden Spiele? […]Doch lassen sich technische, taktische oder personelle Defizite in schwierigen, engen Momenten auch überwinden: durch Willenskraft, Leidenschaft, Selbstüberzeugung, Frechheit und auch Verrücktheiten. Diese Tugenden fehlen.

Holt Deutschland bei der WM 2014 den Titel?  Eher unwahrscheinlich […] Realistisch ist ein WM Sieg 2014 nicht. Nicht nur weil die Gegner trotz ihres Respekts vor der „Turniermannschaft“ Deutschland erkennen werden, dass diesem Team die letzte Gabe offenbar fehlt […].

Dazu hätte ich am liebsten einen Leserbrief geschrieben, der wäre aber so lange, dass er sicher keine Chance hätte abgedruckt zu werden – daher nun hier auf meinem Blog.

Schwach, schwach, schwach. Dieser Artikel über Jogi Löw zum Scheitern des deutschen Teams bei der Euro 2012 bläst in die bekannten Hörner, sogenannter Fachmänner. Jogi hat natürlich die Verantwortung – er ist der Trainer – für die Niederlage gegen Italien. Doch wer weiß denn, wie das Team gespielt hätte, wenn in der Startelf andere Spieler gestanden hätten, wenn Schweinsteiger nicht gespielt hätte?
Oder der Vorwurf, das Team hätte kein „Gewinnergen“ – sowas gibt es gar nicht – oder es gäbt keine „Leader“ – wie bitte?
Das ist doch einfach erbärmlich: Hatte Chelsea über all die Jahre, als sie weder CL-Sieger noch englischer Meister wurden kein Siegergen – keine Leader? und nun ist ihnen dies im CL Finale zugeflogen? Ich kann mich an keinen Turniersieger der letzten 20 Jahre erinnern (wobei ich mich natürlich nicht an alles erinnern kann), der nicht auch das nötige Glück hatte. So auch bei dieser Euro: Deutschland hatte es im ersten Spiel gegen Portugal, aber nicht gegen Italien. Es hätte nach 15 Minuten auch 2:0 für Deutschland stehen können – hat es aber nicht. Italien hatte im letzten Gruppenspiel Glück – hätte Spanien 2:2 gegen Kroatien gespielt, wären sie draußen gewesen! Auch Spanien hätte im Halbfinale gegen Portugal mit ein wenig Pech draußen sein können…Glück taugt vielleicht nicht als Ausrede, aber es ist EIN Faktor. Also bitte, 15 Pflichtspielsiege des deutschen Teams in Serie – auch gegen sogenannte „große“ Nationen – sprechen eine klare Sprache. Dass es mal wieder nicht geklappt hat, mal wieder gegen Italien – muss man akzeptieren, trotzdem hat das deutsche Team eine klasse Quali, eine klasse Euro gespielt und war das Team mit der größten Konstanz – vier Siege in vier Spielen und das trotz der sogenannten Todesgruppe.

Auch wer sich die Mühe macht, die Statistik des Spiels gegen Italien an zu schauen, wird erkennen, dass es kein Spiel war, in dem einfach nur das bessere Team gewonnen hat. Die ersten Zahlen jeweils Deutschland.

54% Ballbesitz für Deutschland
17:10 Torschüsse
10:5 Schüsse auf das Tor
14:0 Eckbälle
20:13 Freistöße
12:18 Fouls
1:2 Abseits
59% gewonnene Zweikämpfe für Deutschland
82:80% Passquote
1:4 gelbe Karten

Sicher sagen Ballbesitz und die Anzahl der Eckbälle nur begrenzt etwas über den Spielverlauf aus – doch auch bei Torschüssen und Schüssen die auf das Tor kamen – war das deutsche Team klar im Vorteil. Im Fußball gewinnt das Team, dass mehr Tore schießt. Das war Italien. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Wer deshalb Jogi Löw in Frage stellt, die Qualitäten (hinsichtlich Gewinner Gen) der Spieler, wer „mehr Verrückte“ fordert und meint: das Team wird es nie packen – ist ein echter deutscher Stänkerer!