Über ein Jahr im Ausnahmezustand. Ein paar Gedanken dazu![1. Photo by CDC on Unsplash]
Ehrenerklärung
Bevor ich zum Blues komme, möchte ich an dieser Stelle klar stellen, dass alles Jammern und Motzen, auf „hohem“ Niveau geschieht. Verglichen mit vielen anderen Ländern und Generationen [1. ich denke da, z.B. an die „Generation Weltkrieg“], geht es uns noch immer hervorragend. Trotz allem, was ärgerlich ist, anstrengt oder frustriert.
Presse
Die Presse in Deutschland wehrt sich vehement gegen Vorwürfe, sie würden in der Pandemie einseitig oder tendenziös berichten. Zu den Videos von #allesdichtmachen habe ich nur negative Kommentare gelesen und gehört. Dass sogar ein Böhmermann [2. auch wenn ich ganz und gar kein Freund vom türkischen Präsidenten bin: so ein „Gedicht“, über Erdogan, soll künstlerische Freiheit sein? und die Videos von allesdichtmachen nicht? Komisches Verständnis!] meint sich dazu äußern zu müssen, setzt für mich die Krone auf.
Kein einziger Kommentar (den ich gesehen habe) setzt sich ernsthaft damit auseinander, was die Schauspieler eigentlich meinen und sagen wollen. Bei Liefers höre ich zwei berechtigte Aussagen: körperliche Gesundheit darf nicht alleinentscheidend sein – der Mensch ist mehr als sein Körper. Und: es gab und gibt beim Thema Corona, keine ausgewogene Berichterstattung.
Körperliche Gesundheit als Alleinkriterium
Dass der Mensch aus mehr als dem Leib besteht wussten schon die alten Griechen. Die Argumente für Einschränkungen tragen dieser Erkenntnis aber (fast) keine Rechnung. Wer die Coronaverordnungen dem wird vorgeworfen, dass er schuld am Tod von Menschen sei.
Mangelnde Ausgewogenheit in der Berichterstattung
Klar muss man als Journalist Schlagzeilen „produzieren“. Und es ist ja auch nicht so, dass überhaupt keine kritischen Stimmen zu Wort gekommen wären. Aber wenn die Schlagzeile: „90% der Intensivpflegeplätze sind in Deutschland belegt“ nicht dazu führt, dass die Frage gestellt wird, wie hoch die Belegung denn im Normalfall wäre, dann wird nicht sauber journalistisch gearbeitet. [3. das ist gar nicht so einfach herauszufinden. Alle Statistiken, die ich gefunden habe, sind immer mit Covid verbunden. Wie hoch die Belegung im Januar 20 (vor Covid) war und diese mit Januar 21 vergleichen, war mir nicht möglich. Allerdings weiß ich von Menschen die im Krankenhaus (in der Verwaltung) arbeiten, dass das Freihalten von Betten für vermeintlich kommende Covid Patienten, finanziell ein ziemliches Desaster für manche Klinik war.]
Dass das medizinische Personal im letzten Jahr weitestgehend stark belastet oder auch überlastet war, stelle ich damit gar nicht in Frage!
Genauso irritierend finde ich, wenn aktuell (30.04.2021) die Zahlen sinken, dass niemand die Frage zu stellen scheint, woran das denn liegen könnte. Die sogenannte „Bundesnotbremse“ kann es nicht sein. Dazu ist sie noch nicht lange genug in Kraft. Ich könnte einfach mal raten: die Schulen sind seit drei Wochen geschlossen. Könnte ein Rolle spielen.
Oder die Pauschalisierung der sogenannten „Querdenker“ Bewegung als Rechtsradikal, Verschwörungstheoretiker etc. Ich kenne Leute die bei einzelnen Demos waren, die sind ganz normale Menschen, die ihr Recht auf Demonstration in Anspruch nehmen, weil sie nicht mit dem einverstanden sind, was die Regierung macht. Ganz normale Demokraten also.
Situation der Kinder und Jugendlichen
Unterschiedliche Verbände und Einzelpersonen haben bereits darauf hingewiesen, dass für Kinder und Jugendliche das letzte Jahr sehr schwierig war.
Leider wird in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem davon gesprochen, was schulisch verpasst wurde, wie die Lernzeit nachgelassen hat, etc.
Die Politik hat noch immer nicht verstanden, was mit außerschulischen Bildung gemeint ist. Das ist aus meiner Sicht ziemlich erbärmlich. [4. wobei ich nicht weiß, ob die Lobbyarbeit für Kinder und Jugendliche unfähig ist, oder die politischen Verantwortlichen nicht bereit oder fähig sind, das zu verstehen!]
Dass, vor allem Jugendliche zw. 13 und 17 unbedingt auf die Peer Group angewiesen sind, scheint kaum jemanden zu interessieren. In diesem Alter ist der Kontakt zu Gleichaltrigen, das gemeinsame „Herumhängen“, das Austarieren von eigener Wirkung, besonders wichtig. Hier geht es nicht um „Lernstoff“ den man mit Fleiß und Ausdauer nachholen kann. Hier geht es um nicht, oder zumindest extrem schwer aufzuholende Defizite in der Entwicklung. [5. Die FAZ hat dazu ein spannendes Interview mit drei Jugendlichen geführt, die gerade in eine 9.Klasse einer Realschule gehen, Nachzulesen hier.]
Ein Jahr Covid, und nichts genaues weiß man nicht
Dass man nach über einem Jahr viele Dinge noch immer nicht weiß, ist die eine Sache. Schlimm ist aber, dass das was man weiß, nur selten gut verständlich und auch in der notwendigen Breite unter die Menschen gebracht wird.
Ist das die Verantwortung der Presse? Oder der Politik? Oder der Youtuber? oder TikToker?
Die Idee einer App, die nach einer Ortsauwahl anzeigt, was man dort laut Coronaverordnung machen darf und was nicht, ist ein gute Idee. Nur: wer bitte soll sich das alles durchlesen? Und es verstehen, wie es gemeint ist? Und dann wird es durch die „wenn die Inzidenz so und so hoch ist, dann darf man dies oder jenes/ nicht“ Regeln auch nicht einfacher.
Wo stecken sich die Leute eigentlich an? Welche Möglichkeiten gäbe es denn, z.B. durch Schnelltests weniger Grundrechte einzuschränken? [6. Modellversuche sind ja durch die sogenannte „Bundes-Notbremse“ eingestellt worden]
Verschlafenes Deutschland
Warum hat man nicht bei anderen Ländern geschaut, was diese beser machen und überlegt, wie man das auf Deutschland übertragen kann? Wer sitzt eigentlich in den Gremien, von denen sich die Bundesregierung „beraten“ lässt? Da gehören nicht nur Virologen und Ärzte rein, sondern Menschen ganz unterschiedlichster Profession, damit eben nicht die körperliche Gesundheit gesehen wird, sondern auch andere Faktoren (mehr) Berücksichtigung finden.
Warum sind eigentliche (fast) sämtliche Ämter geschlossen? Häufig sogar ohne, dass man digitale Alternativen hätte? Zum Thema Digitalisierung und Schulen, ist schon viel geschrieben worden. Und solange die Verantwortlichen nicht kapieren, dass Digitalisierung eben nicht heißt: jedes Kind bekommt ein eigenes Ipad [7. dass (häufig) Geräte eines Konzerns verwendet werden, der in vielerlei Hinsicht sehr bedenklich ist, erstaunt mich doch sehr], wird das auch weiterhin ganz schwierig bleiben.
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