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Migration – ein „Glücksfall“!

Vor kurzem war ich auf einer Konferenz des CVJM Gesamtverbandes in Dassel. Dort trafen sich ca. 180 Menschen aus 21 Nationen unter dem Thema: „Cross Cultural“ – the inclusive mission oft he YMCA. Neben den CVJMern aus Deutschland – von München bis Südangeln, von Köln bis Leipzig es war eine bunte Mischung angereist – waren noch CVJMer aus Peru, Brasilien, Schweiz, Chile, Venezuela, Chile, Sudan, Sierra Leone, Nigeria, Ghana, Philippinen, Hong Kong, Belarus, Spanien, Uruguay, Indien, Südafrika, Rumänien, Ungarn, Bulgarien und Österreich gekommen. Viele ehrenamtliche (der CVJM ist die größte Freiwilligenbewegung der Welt!) und einige hauptamtliche Mitarbeiter waren dabei. Es stießen also völlig unterschiedliche Lebensentwürfe, Kulturen, finanzielle Voraussetzungen, Prägungen usw. aufeinander.
Von dem was ich dort erlebt habe bin ich total begeistert und teile daher einige Gedanken und Eindrücke hier auf meinem Blog. Diese „Erkenntnisse“ sind sicherlich nicht besonders, auch nicht neu – aber sie sind meiner Meinung nach sehr wichtig!

Die Art und Weise, wie es möglich war, sich dort so zu begegnen, dass Jeder den Anderen erst nimmt und wahrnimmt mit der ihm eigenen Stärken und Möglichkeiten, die gegenseitige Rücksicht und das Wahrnehmen des Anderen in seiner Andersartigkeit – hätte ich vorher nicht für möglich gehalten.

Ein Augenöffner war für mich die Aussage: Diversity is a gift of god – Unterschiedlichkeit ist ein Geschenk Gottes! Ich übersetze „diversity“ bewußt an dieser Stelle mit Unterschiedlichkeit, statt Vielfalt. Denn Unterschiedlichkeit betont viel stärker den Trennungsaspekt als Vielfalt. Wir erfahren Migration oder Migranten aber gerade als Anders, als getrennt von uns. Daher nimmt Unterschiedlichkeit viel von diesem Gefühl auf.

Gott ist ein Freund des Unterschiedes. Er ist Einer und doch drei Personen. Er hat ganz unterschiedliche Landschaften geschaffen. Und in diesen unterschiedlichen Landschaften können wir die Größe Gottes erkennen. Er hat den Menschen als Mann und Frau geschaffen. Und in der Unterschiedlichkeit der Geschlechter, der Kulturen, Traditionen etc. steckt die Chance aneinander und miteinander, die Liebe ein zu üben. Und jeder Einzelne von uns – wurde ganz unterschiedlich und einzigartig geschaffen – und wir brauchen einander um großes zu vollbringen. Gott liebt den Lobpreis inunterschiedlichen Sprachen → vielleicht hat er deshalb die Zungenrede/-gesang geschenkt! Letztlich sind alle Menschen Immigranten – unsere wahre Heimat ist im Himmel. Und jedes „Volk“ ist irgendwann einmal eingewandert – oder waren die Deutschen schon immer in Deutschland? Die Indianer schon immer in Amerika?

Weitere wichtige Gedanken waren das Referat von Roland Werner, der den Begriff des Cross Cultural stark aufnahm und füllte:

Als Christen können wir unterschiedlichen Kulturen und Nationalitäten oder Ethnien angehören – wir gehören jedoch alle zu einer dritten Kultur. Der Kultur des Kreuzes. Das bedeutet:

  1. Als Christ zu der Überzeugung, die aus der Bibel und dem Glauben gewonnen wird, stehen – und nicht abrücken.
  2. Die Trennung zwischen Gott und Mensch wurde durch den Kreuzestod Jesu aufgehoben. Aber auch die Trennung zwischen den Menschen ist weg. In Jesus sind wir alle eins. In oder trotz oder gerade wegen unserer Unterschiedlichkeit.
  3. Das neue Testament ist bereits in einer anderen Sprache geschrieben, als Jesus geredet hat. Auch hier hat schon die Transformation in eine andere Kultur statt gefunden.
    Konkret bedeutet das:
    a) Cross Communication – weltweite Beziehungen, auf Augenhöhe
    b) Cross Teaching – Lernen von den anderen Kulturen – sich z.B. den Gepflogenheiten bei Besuchen anpassen
    c) Cross Culture – keine Gleichmacherkultur – sondern eine der Unterschiedlichkeit – der Ergänzung
    d) Cross Service – wir sind Geschwister und deshalb einander keine Bürde
    e) Cross Mission – der Grund unseres Seins ist Jesus Christus und seine Sendung zu den Menschen – und damit unsere Sendung.

Es ist der Auftrag Gottes, das Evangelium allen Menschen zu verkündigen. Aber wir sollten den Menschen immer zuerst als Menschen (in seiner Kultur) begegnen – nicht als Prediger, nicht als Christen. Erst wenn wir dem Gegenüber wirklich begegnet sind, kann er hören, will er hören, was wir als Christen zu sagen haben!

Noch ein dritter Aspekt, der mir (neu) bewusst geworden ist:

Wir Europäer meinen, Migration sei ein europäisches Problem. Doch wenn man in die Welt hinaus schaut, dann merkt man, dass es in anderen Kontinenten noch weit größere Probleme mit Migration gibt als in Europa. Allein in Afrika gibt es zur Zeit wenigsten neun! bewaffnete Konflikte. Es gibt, gerade was Afrika betrifft ernstzunehmende Bestrebungen – z.B. aus Afrika, sich den Kontinent als Markt aggressiv zu erschließen, was z.T. mit einer massiven Einwanderungspolitik (von Chinesen nach Afrika) unterstützt wird. Die Flüchtlingswellen durchziehen den Kontinent. Geschätzt werden ca. 5 Millionen Flüchtlinge – vielleicht auch mehr.
Im 2010 veröffentlichten Bericht “Global Trends” des UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) geht hervor, dass 2009 weltweit 43,3 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Konflikten und Verfolgung waren. In Lateinamerika ist Ecuador mit mehr als 51.500 Flüchtlingen das Land,  in dem die meisten Menschen Zuflucht suchen. In Lateinamerika gibt es laut der UNHCR über 3,5 Millionen Menschen, die auf der Flucht sind.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat hier dazu einige interessante Zahlen und Fakten veröffentlicht.

Zur Inter­na­tio­nalen Konfe­renz 2012 in Dassel verab­schie­deten die Gäste ein Impuls­pa­pier. Was über Nacht entstand ist aber noch nicht endgültig fertig sondern soll als Grund­lage dienen um weiter zu denken und zu verän­dern -also als ein dyna­mi­sches Doku­ment.

Die Fassung der Dasseler Impulse 2012, Stand 10.05.2012 sind folgende:

Dasseler Impulse 2012

Der CVJM wurde gegründet, um jungen Menschen zu helfen, die ihren vertrauten Lebensraum verlassen mussten. Wir erkennen heute in den weltweiten Migrationsbewegungen ähnliche Herausforderungen.

Die Internationale Konferenz des CVJM-Gesamtverbandes hat sich vom 3. – 6. Mai 2012 in Dassel mit dem Thema „Cross Cultural – The inclusive mission of the YMCA“ beschäftigt und stellt fest:

Im CVJM begegnen wir uns als Menschen mit unterschiedlicher Herkunft. Wir erkennen in den erlebten Unterschieden den großen und vielfältigen Reichtum Gottes und staunen über die in Jesus Christus erfahrene Einheit.
Die Fremdheit der Menschen, die uns aus anderen Kulturen begegnen, inspiriert uns, diesen von Gott geschenkten Reichtum tiefer zu erleben; dabei wollen wir uns von Unsicherheiten und Ängsten nicht abhalten lassen. Wir wollen in unseren Städten und Dörfern CVJM und Gesellschaft gemeinsam gestalten, indem wir mit diesen Menschen Leben teilen und füreinander eintreten.
Wir sind ermutigt und herausgefordert von CVJM-Arbeit, die sich bereits diesem Auftrag stellt. Strukturen müssen weiterentwickelt und Ressourcen zielgerichtet eingesetzt werden, um diese Arbeit auszuweiten.
Wir wollen respektvoll miteinander kommunizieren, allen mit Wertschätzung begegnen, mit bestehenden Unterschieden leben lernen, einander dienen und ganzheitlich den Auftrag wahrnehmen, wie Jesus Christus ihn uns gegeben hat.
Wir wollen von Christus lernen:
„Ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem anderen dient. Seid so untereinander gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht.“(vgl. Philipper 2, 4-11)

Dassel, den 6.05.2012

Kommen­tiert werden können die Thesen hier.

Zuletzt noch die Nacherzählung einer  Geschichte, die ich auf der Konferenz gehört habe – ein Gleichnis:

Es gab mal einen Mann, der hatte eine Leidenschaft. Er sammelte Perlen. Er kauft nicht nur einfach irgendwelche Perlen, sondern nur die schönsten und wertvollsten Perlen. Bald schon hatte er eine einzigartige Sammlung. Unten im Keller hatte er einen Raum und dort bewahrte er seine Perlensammlung auf.

Wenn er Morgens aufwachte, war sein erster Gedanke an seine Perlensammlung. Wenn er auf der Arbeit war, dachte er in jeder freien Sekunde an seine Perlensammlung. Wenn er seine Kinder sah, dann hatten die so Perlenköpfe. Wenn er seine Frau anschaute, dann sah er sie voller Perlen. Kurz vor Sonnenuntergang dann ging er in den Keller. Das war der Augenblick, auf den er sich den ganzen Tag schon freute, der seinem Leben Zweck, Sinn und Ziel gab. Er schloss die Tür zum Zimmer seiner Sammlung auf und dann, gerade als die Sonne durch ein bestimmtes Fenster schien, öffnete er seine Schubladen mit den Perlen und steckte beide Hände hinein. Und dann geschah es, dass sich das Licht der Sonne in den vielen Perlen spiegelte und überall an den Wänden helle, weiße Lichtkegeln sich bewegten – Lichtkegel, die durch die Perlen an die Wände geworfen wurden.

So ging es Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat und Jahr um Jahr.

Eines Abends, er wollte gerade seine Hände in die Perlen stecken, öffnete sich die Tür und seine Frau kam herein. In den Händen hatte sie einen Zettel und zwei Aldi-Plastik-Tüten. Sie sagte zu ihm: „Du hast noch eine Möglichkeit, deine Ehe zu Retten. Und zwar dann, wenn Du jetzt sofort losgehst, auf den Markt, der Araber – gleich neben der Kirche – und die Gemüse auf der Liste kaufst.“ Das war eine ganz schöne Herausforderung für den Mann. Aber, er hatte noch einen Funken von Verstand im Kopf und entschied, dass er ja einmal was für seine Ehe tun könnte. Also schnappte er die Tüten, den Zettel, seinen Geldbeutel und machte sich auf den Weg. Er dachte, dass wenn er sich beeilen würde, dann hätte er eine gute Chance schnell genug zurück zu sein, um doch noch sein Vergnügen mit den Perlen zu haben.

Und er schien Glück zu haben. Er fand schnell den Araber, drückte ihm die Tüten in die Hand und sagte:“Hier, füll die mal schnell mit dem Gemüse, das auf dem Zettel steht.“ Der Araber aber wusste, wer die Frau des Mannes war – und weil er wusste, dass sie großen Wert auf gutes Gemüse legte, nahm er jede Frucht einzeln in die Hand um sicher zu gehen, dass die Qualität einwandfrei war. Der Mann begann schon zu verzweifeln – so würde er niemals rechtzeitig zurück kommen. Da erblickte er plötzlich – im hinteren Teil des Gemüsestandes, ein rundes Ding auf einem Brett, das als Briefbeschwerer verwendet wurde. „Gib mir mal bitte den Briefbeschwerer dort.“ Der Araber war überrascht, aber weil die Frau des Mannes eine gute Kundin war, gab er den Briefbeschwerer dem Mann. Der Mann betrachtete das runde Ding auf dem Brett. Tatsächlich, es war eine Perle. Er rieb ein wenig mit seinem Hemd an der Perle – Wahnsinn – in der Perle spiegelten sich alle Farben der Erde. „Verkauf mir diesen Briefbeschwerer. Ich gebe Dir 100 Euro dafür.“ „Oh, tut mir leid, das geht nicht. Es ist ein altes Familienerbstück.“ “Ich gebe Dir 200 Euro.“ “Lieber Freund. Es tut mir wirklich schrecklich Leid. Aber wie ich schon sagte, es ist ein Familienerbstück, ich kann es nicht verkaufen.“ “500 Euro“ „Mein lieber Freund. Nein es geht nicht.“ Und so ging es weiter, bis…“Mein lieber Freund, ich sehe, Du verstehst etwas von Perlen. Und auch wenn es ein Familienerbstück ist, bin ich unter einer Bedingung bereit, Dir die Perle zu geben, nämlich wenn Du mir im Tausch Deine Perlensammlung gibt. Dann weiß ich, diese Perle ist Dir besonders viel Wert.“ „Du spinnst wohl. Ich habe die bedeutendste Perlensammlung der Welt und soll diese gegen diese eine Perle eintauschen? Niemals.“ Dann nahm er seine zwei Aldi-Plastik-Tüten mit dem Gemüse und ging nach Hause. Zuhause warf er seiner Frau die Tüten vor die Füße, ging in den Keller, griff in die Perlenkiste und…war gelangweilt. Nun, die Sonne ist schon untergegangen. Morgen werde ich wieder Spaß haben. Doch es kam anders. Am nächsten Abend ging er in seinen besonderen Raum, griff in seine Perlenkisten, sah die Reflexionen an den Wänden und war gelangweilt. Und auch am nächsten Abend und übernächsten war es nicht anders. Nach einer Woche ging der Mann mit zwei voll gepackten Aldi-Plastik-Tüten zum Araber, warf ihm diese hin und sagte:“Hier hast Du die Perlen. Gib mir die Große.“ Der Araber betrachtete die Tüten und sah die wertvolle Perlensammlung. Drehte sich um und gab ihm die große Perle, das Familienerbstück, das ihm als Briefbeschwerer diente.

Der Mann nahm die Perle, brachte sie nach Hause. Ging in seinen Kellerraum und rieb die Perle blank. Dann brach sich die Sonne darin und alle Farben der Erde erschienen auf den Wänden. Es war ein ekstatischer Augenblick. Der Mann war wie verwandelt, er war wieder glücklich. Da ging die Türe auf, seine Frau kam herein und zum ersten Mal nach zehn Jahren sah er seine Frau wirklich an. „Frau, wie schön Du bist! Du bist die Beste aller Frauen.“ Er erkannte, dass die Perle ihm ermöglichte, seine Frau in bunten Farben zu sehen und sagte:“ Diese Perle darf nicht in diesem Raum bleiben.“ So nahm er sie mit ins Wohnzimmer. Dort sah er seine Kinder und war erstaunt, was aus ihnen geworden war. Und er erkannte, diese Perle darf nicht in unserem Haus bleiben. So baute er eine Säule vor seinem Haus und setzte die Perle darauf, damit alle die an seinem Haus vorbei gingen ins Licht der Perle gerieten. So wurde sein Haus zu einer Pilgerstätte. Die Menschen kamen, weil sie dort erkennen konnten wer sie selber waren und welche  Schönheit die Anderen haben.