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Splitter und Balken – oder warum ehrlich (vielleicht) am längsten währt.

Predigt beim eAg am 05.Juli 2015

Das Stichwort unter dem der heutige eAg steht, lautet:

ehrlich

Ein schönes Wort – aber auch ein gefährliches. Ehrlich zu sein, das ist zunächst einmal etwas, das Respekt verdient. Ehrlich sein, wird im Allgemeinen als positiv gesehen – aber nicht nur. Es gibt durchaus Kreise und Menschen, bei denen Ehrlichkeit belächelt wird, als naiv eingeordnet, oder sogar gnadenlos ausgenutzt wird.

Das Sprichwort: „Ehrlich währt am längsten“ kennen Sie vermutlich alle. Doch stimmt das Stichwort eigentlich? Lohnt es sich wirklich, ehrlich zu sein?
Sicher, viele Lügner – oder zumindest Einige, werden erwischt. Aber längst nicht alle. Es gibt kluge Lügner, und weniger Kluge. Einige finden einfach immer ein Schlupfloch um sich heraus zu reden. Und oftmals sind die Ehrlichen die Dummen – zumindest erscheint es auf den ersten Blick so.

Wenn jemand eine seiner Lügen zugibt – was bekommt er dann? Respekt? Barmherzigkeit? Kann auch passieren. Ich hoffe, dass es in den christlichen Gemeinschaften so ist. Und vor Gericht kann ein Geständnis strafmildernd wirken.

Aber das was passierte, als Uli Höneß sich selbst anzeigte, weil er Steuern hinterzogen hatte, ist meines Erachtens die häufigere Variante, wie mit geständigen Lügnern und Tätern umgegangen wird. Und wie reagierte die Öffentlichkeit, die Presse, als er das Urteil des Gerichtes anerkannte und akzeptierte, dass er für sein Vergehen einige Zeit hinter Gitter musste? Wie haben Sie reagiert? Vielleicht war das ein schlechtes Beispiel, denn allein der Name Uli Höneß löst bei vielen Menschen in Deutschland Argwohn, Bitterkeit und sogar Hass aus. Doch in wie weit ist dies gerechtfertigt?

Die Gesellschaft schafft nicht gerade eine Atmosphäre, damit man sich leichter traut zu seinen Fehlern, Lügen oder Verfehlungen zu stehen. Im Gegenteil.

Im Jugendhaus, in dem ich arbeite, ist das eines der Dinge, die mich sehr viel Kraft kosten. Es geht etwas kaputt, es wird etwas dreckig, es fehlt was … wer war es? Niemand. Dabei versuche ich und mit mir das Mitarbeiterteam eine Atmosphäre zu schaffen, in dem es eigentlich leicht sein müsste zuzugeben, wenn was schief gelaufen ist. Immer wieder betone ich, dass niemandem der Kopf abgerissen wird, dass wir eine Lösung finden, wenn etwas teures kaputt gegangen ist… und lobe die ganz Wenigen, die eine Verantwortung eingestanden haben, und versuche daran zu zeigen, dass es geht, dass es gut ist! Dabei ist das nicht in erster Linie ein Problem der Jugendlichen. Nein, sogar viele Erwachsene haben wenig bis keine Skrupel, mir ins Gesicht zu lügen. Mein Problem: ich weiß oft nicht wer lügt und wer die Wahrheit sagt.

Ehrlich. Wer ist ehrlich? Das ist manchmal gar nicht so einfach zu erkennen. Im Ukraine Konflikt war lange nicht eindeutig, ob nun tatsächlich russische Soldaten im Konflikt mitmischen. Die Lage schien klar. Alle Nachrichtensender behaupteten, oder lieferten Indizien dafür. Zumindest alle westlichen Medien. Eine Frage des Vertrauens. Doch ich war misstrauisch. Spätestens seit die USA, vor einigen Jahren unterirdische Giftgasanlagen im Irak „bewiesen“, die sich nach der Eroberung des Irak als Fake herausgestellt haben, ist das Vertrauen in die Amis gestört, wenn nicht sogar zerstört.

Recht

Wer hat Recht? Im Schuldenstreit mit Griechenland gibt es vereinfacht gesagt zwei Positionen. Und selbst wenn die große Mehrheit der Regierungen in der EU eine andere Meinung vertritt als die Regierung Griechenlands – wie können wir beurteilen, wer Recht und wer Unrecht hat? Kennen wir die Details? Kennen wir die Zusammenhänge?

Außerdem, gibt es eine Menge Leute, die zu ihren Fehlern ganz und gar nicht stehen können. Die eine eigene Verantwortung oder Schuld nicht zugeben können, die auf Biegen und Brechen ihre Tat oder Taten verteidigen. Die es nicht gebacken bekommen, um Entschuldigung zu bitten oder auch nur zu ihrem Fehler zu stehen.

Im Moment ist ja gerade der Prozess um den KZ Aufseher Oskar Gröning in der Presse. Seine Schuld und Verantwortung ist relativ offensichtlich. Er hat nichts mehr zu verlieren. Er über 90 Jahre alt. Trotzdem kommt kein Wort des Bedauerns oder der Bitte um Vergebung über seine Lippen.

Aber wir brauchen gar nicht so weit gehen. Oder mit dem Finger auf diesen Menschen zu zeigen. Vor kurzem hat mir eine meiner Töchter folgendes erzählt: eine Lehrerin hat einige Schüler rund gemacht, weil diese ihre Hefte nicht abgegeben haben. Die Schüler behaupteten zwar, dass sie die Hefte längst abgegeben hätten, aber die Deutungshoheit hat die Lehrerin. Und dann stellt sich einige Stunden später doch heraus, dass nicht die Schüler ihre Hefte vergessen hatten abzugeben, sondern die Lehrerin die abgegebenen Hefte verschlampt hatte. Steht sie zu ihrer Schuld? Zu ihrer Verantwortung?

Es ist eine Grundtendenz des Menschen, von uns allen, dem Anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die Verantwortung beim Anderen zu suchen. Den Anderen nieder zu machen um selber besser dazustehen.

Ehrlich zu sein, das ist ganz schön schwer. Ehrlich zu sein, das ist ganz schön angefochten – das passiert nicht einfach so, dafür müssen wir uns entscheiden. Ehrlich sein – nicht nur gegenüber den Anderen, sondern auch ehrlich gegenüber sich selber. Auch das ist ein sehr schwieriges Thema. Nicht nur Alkoholiker haben ein Problem damit zu erkennen, dass sie ein Problem haben – sondern jeder von uns hat an der einen oder anderen Stelle ein Problem – eine schwarze Stelle, einen blinden Fleck, wo wir nicht erkennen können, dass wir falsch liegen und darauf angewiesen sind, dass andere Menschen uns helfen dabei weiter zu kommen. Aber lassen wir zu, dass andere Menschen uns auf solche Flecke hinweisen?

Das war jetzt eine lange Vorrede, und dabei habe ich nur einen kleinen Teil von dem aufgegriffen, was mir dazu eingefallen ist – aber nun komme ich endlich zum biblischen Text. Die Worte aus der Bergpredigt im Evangelium nach Matthäus, greifen aus meine Sicht, genau diese Fragen und Probleme auf. Jesus sagt dort folgendes:

»Verurteilt niemand, damit auch ihr nicht verurteilt werdet. Denn so, wie ihr über andere urteilt, werdet ihr selbst beurteilt werden, und mit dem Maß, das ihr bei anderen anlegt, werdet ihr selbst gemessen werden. Wie kommt es, dass du den Splitter im Auge deines Bruders siehst, aber den Balken in deinem eigenen Auge nicht bemerkst? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: ›Halt still! Ich will dir den Splitter aus dem Auge ziehen‹ – und dabei sitzt ein Balken in deinem eigenen Auge? Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge; dann wirst du klar sehen und kannst den Splitter aus dem Auge deines Bruders ziehen.«1Matthäus 7, 3-5

Jesus beginnt seine Rede mit einer Aufforderung und einer Warnung: Verurteilt niemanden! Damit auch ihr nicht verurteilt werdet!

Jesus fordert uns auf keinen anderen Menschen zu verurteilen, ja nicht mal ihn zu beurteilen. Warum? Weil wenn Du jemanden verurteilst, oder beurteilst, dann wird eines Tages jemand anderes kommen und Dich beurteilen, und Dich mit dem gleichen Maßstab beurteilen. Ein anderer wird beurteilen, ob Du ein besserer Mensch bist als der, den Du verurteilt hast.
Das heißt, genau genommen, fordert Jesus uns nicht auf gar nicht zu beurteilen oder zu verurteilen, sondern er weist uns darauf hin, dass unser Maßstab der Beurteilung auch auf uns angewendet werden wird.

Das ist ein Prinzip, das Bedeutung hat. Jesus hat es eingesetzt, Z.B. als ihm die Ehebrecherin gebracht wurde. Ich denke die meisten werden die Geschichte kennen. Aber um sie kurz in Erinnerung zu rufen, erzähle ich sie nach.2Johannes 8, 3ff

Es war so: Es kamen einige Fromme und einige Theologen zu Jesus und haben eine Frau mit sich hergezogen. Vermutlich hatte sie sich gerade mal ein Leintuch umgebunden um ihre Nacktheit zu verdecken. Die Haare hatte sie offen, sie war verstrubbelt. Und in ihren Augen war Verzweiflung.

Und dann sprechen diese Männer – es scheint so, dass es nur Männer waren – diese Männer sprechen Jesus an. Mit dem Ehrentitel Meister! Ich möchte nicht beurteilen ob sie das ernst gemeint haben, oder eher spöttisch oder herausfordernd. Auf jeden Fall sagen sie: „Meister, diese Frau ist eine Ehebrecherin; sie ist auf frischer Tat ertappt worden. Mose hat uns im Gesetz befohlen, solche Frauen zu steinigen. Was sagst Du dazu?“

Jesus hätte nun fragen können, „und wo ist der Mann, der zum Ehebruch nötig ist?“ oder er hätte zitieren können was Mose tatsächlich geboten hat, dort steht nämlich: Wer die Ehe bricht mit jemandes Weibe, der soll des Todes sterben, beide, Ehebrecher und Ehebrecherin, darum daß er mit seines Nächsten Weibe die Ehe gebrochen hat.Interessanterweise wird nämlich im Text aus dem dritten Mosebuch, viel stärker die Schuld und Verantwortung des Mannes betont, gegenüber der Frau.

Aber Jesus tut dies nicht.

Jesus sagt vielmehr: „Wer von euch ohne Sünde ist, der soll den ersten Stein auf sie werfen“

Und dann wird berichtet, dass nach dieser Aussage zuerst die Älteren unter den Männern und schließlich alle Anderen den Platz verlassen. Sie erkennen: auch ich bin ein Sünder. Sie waren bereit in den Spiegel zu schauen und ihre Sünde, zumindest gegenüber sich selber, einzugestehen.

Und als alle weg sind, fragt Jesus: „Wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt?

„Nein, Herr, keiner“, antwortete sie.

„Ich verurteile dich auch nicht; du darfst gehen. Sündige von jetzt an nicht mehr!“

Jesus verzichtet auf ein Urteil. Er spricht die Frau frei. Aber er bagatellisiert ihre Sünde nicht, er fordert sie auf, in Zukunft nicht mehr zu sündigen. D.h. er fordert sie auf, an sich zu arbeiten, er fordert sie auf bereit zu sein ihr Verhalten zu verändern, er fordert sie auf nicht den Gefühlen oder den scheinbaren Notwendigkeiten nach zu geben, sondern nach den Geboten Gottes zu leben.
Wenn schon Jesus auf ein Urteil verzichtet, wie viel mehr dann wir?

In unserem Text aus der Bergpredigt mit dem Splitter und Balken – fragt Jesus dann, wie es eigentlich kommt, dass es leicht ist den Splitter im Auge des Anderen zu sehen, aber gleichzeitig mit einem Balken rum zu laufen und es nicht mal zu merken oder nicht wahrhaben zu wollen.

Hatten Sie schon mal einen Splitter im Auge? Ich schon. Einen Eisensplitter. Schmerzhaft. Die Sehkraft ist eingeschränkt. Am liebsten lässt man das Auge zu – aber auch dann tut es weh. Wenn man das hat, dann möchte man unbedingt, dass der Splitter raus kommt und das Auge wieder heilen kann. Doch Jesus spricht hier so von dem Balken und dem Splitter, dass es scheint, es sei nicht so, dass man ihn aus dem Auge haben will!

Jesus spricht so von dem Splitter und dem Balken im Auge, dass es scheint, dass weder der mit dem Splitter seinen Splitter los werden will – wenn er ihn überhaupt bemerkt. Noch dass der mit dem Balken seinen Balken los werden will.

Klar, Jesus spricht hier nicht von Splittern und Balken – das ist uns allen klar. Er spricht im übertragenen Sinn. Er spricht von unseren Fehlern, von unseren Sünden, von unseren Lügen usw. Aber in dem von Jesus verwendeten Bild können wir sehen, wie wir mit unseren Sünden und Fehlern eigentlich umgehen müssten. Eigentlich müsste es doch so sein, dass uns unsere Fehler und Sünden so schmerzen, dass wir sie los haben wollen. Doch oftmals ist das Gegenteil der Fall. Wir versuchen sie zu vertuschen, klein zu reden, oder zu ignorieren, oder zu rechtfertigen.

Warum tun wir das?

Dafür gibt es mehrere Gründe oder Möglichkeiten, ein paar davon sind:
Oftmals ist uns peinlich was wir getan haben.
Es kann sein, dass wir denken, dass es schädlich wäre, wenn andere davon wüssten.
Es kann sein, wenn es verboten ist, droht uns eine Strafe.
Vielleicht sind wir auch nicht bereit, die Verantwortung für unser Tun wahrzunehmen.
Es kann auch sein, wir verstehen gar nicht was wir falsch gemacht haben. Wir erkennen unsere Fehlhaltung nicht.

Egal, welche Gründe es dafür gibt, dass wir so handeln, wie wir es tun – wir müssen uns immer wieder klar machen – wir kommen nicht darum herum unseren Splitter oder Balken wahrzunehmen und ihn herauszuziehen oder herausziehen zu lassen.

Wenn wir im Bild vom Splitter und Balken im Auge bleiben. Wie können wir den Balken denn loswerden? Es gibt zwei Möglichkeiten. Und für beide ist es notwendig in den Spiegel zu schauen.

Die eine Möglichkeit ist die, dass wir in den Spiegel schauen und ihn dann selber heraus ziehen. Allerdings müssen wir bedenken, dass im Spiegel alles spiegelverkehrt ist.

Die andere Möglichkeit ist die, wenn wir in den Spiegel schauen und den Splitter oder Balken sehen, dass wir bitten jemand anderen bitten uns den Balken heraus zu ziehen.

In den Spiegel schauen ist nichts anderes, als die eigene Sünde, den eigenen Fehler zu erkennen. Ja so ist es, ja so bin ich, ja das habe ich getan. Erst dann kann ich Jesus meine Sünde bekennen und Vergebung empfangen.

Beichte und Heucheln

Aber vielleicht ist mir das Entfernen des Balkens so heikel, dass ich lieber jemand anderen darum bitte, es zu tun. Das ist nichts anderes als zu beichten. Meine Sünde bekennen und Vergebung dafür zu empfangen, durch den Zuspruch eines Bruders oder Schwester, die im Namen Jesu die Vergebung zuspricht. Beichte kann etwas sehr befreiendes sein – nicht nur für Katholiken, sondern für jeden Christen.

Jesus beendet diesen Textabschnitt der Bergpredigt mit deutlichen Worten. Jesus sagt: Du Heuchler. Jesus bezichtigt mich (und ich bin so frei, auch Sie – uns alle) Heuchler zu sein. Und dann fordert er uns auf, zuerst den Balken aus dem eigenen Auge zu ziehen, bevor wir uns dem Splitter im Auge unseres Gegenübers zuwenden.

Bei Wikipedia wird Heuchelei wie folgt beschrieben:
Heuchelei bezeichnet ein moralisch bzw. ethisch negativ besetztes Verhalten, bei dem eine Person absichtlich nach außen hin ein Bild von sich vermittelt, das nicht ihrem realen Selbst entspricht. Das zugrundeliegende Zeitwort heucheln stammt ursprünglich vom unterwürfigen ducken und kriechen des Hundes und wurde auf vorgespieltes, schmeichelndes Verhalten übertragen.

Der Philosoph und Theologe Friedrich Kirchner definierte Heuchelei als eine „aus selbstsüchtigen Interessen entspringende Verhüllung der wahren und Vorspiegelung einer falschen, in dem Betreffenden nicht vorhandenen lobenswerten Gesinnung“ und führt auf, dass ein Heuchler besser erscheinen wolle, als er ist, „um Mächtigen zu gefallen“ und „davon Gewinn zu haben“.

Nicht sehr schön. Jesus unterstellt uns also, dass wir falsche Tatsachen vorspieglen. Dass wir unsere wahren Motive verhüllen. Dass wir nur so tun, als ob wir was Gutes tun würden. Hat Jesus Recht?

Wer von uns, kann von sich behaupten, dass er niemals etwas ein klein wenig vorteilhafter für sich selber dargestellt hat, als es eigentlich war? Wer von uns, hat noch niemals etwas getan, um seine wahren Absichten zu vertuschen? Wir regen uns über das Verhalten von anderen Menschen auf – aber wir bemerken nicht, dass unser Verhalten Andere aufregt? Wir zeigen mit dem Finger auf den, der einen Fehler gemacht hat, aber unsere eigenen Fehler versuchen wir zu vertuschen. Wir kritisieren gerne und viel, aber selber können wir es oft weder besser, noch sind wir bereit es überhaupt zu tun.

Klar hat Jesus recht in dem was er sagt.

Und Jesus fragt uns, ob wir bereit und fähig sind zu erkennen, wo es in unserem Leben wir uns heuchlerisch verhalten? Wo wir falsche oder halbwahre Tatsachen vorspielen?

Wenn Jesus uns auffordert zuerst den Balken aus dem eigenen Auge zu nehmen, dann hat das auch damit zu tun, dass wir vorher – also bevor wir den Balken aus unserem Auge gezogen haben – doch gar nicht den Splitter gescheit aus dem Auge des Gegenübers ziehen können. Denn solange wir in einem Auge einen Balken haben, sehen wir doch gar nicht gut genug. Mit einem Auge kann man nämlich nicht richtig dreidimensional sehen! Dafür braucht man beide Augen!

Was Jesus nicht möchte ist, dass wir die Fehler der Anderen benennen, ohne uns selber bewusst zu sein, dass auch wir Fehler haben. Wir sind eine Gemeinschaft von Sündern.

Was Jesus auch nicht möchte ist, dass wir alle Fehler unter eine Decke stopfen und sie einfach ignorieren. Oder dass wir Fehler bagatellisieren.

Jesus möchte dass wir uns unserer eigenen Unzulänglichkeit bewusst sind. Dann können wir auch auf die Unzulänglichkeit des Anderen hinweisen. Jesus möchte, dass wir uns in die Situation unseres Nächsten hineindenken und versuchen zu verstehen, warum dieser so gehandelt hat, wie er es tut. Was nicht heißt, dass ich dann das gut finden muss, was dieser tut.
Aber, wenn ich mir meiner eigenen Fehler bewusst bin, dann werde ich barmherziger mit meinem Gegenüber sein. Ich sage hier deutlich bewusst: denn unbewusste, uneingestandene, vertuschte Fehler können zum Gegenteil führen. Dann muss der eigene Fehler im Anderen bekämpft werden.

Und wenn ich verstehe, warum mein Gegenüber so gehandelt hat – oder zumindest es erahne – dann werde ich sein Handeln anders bewerten, als wenn ich nur von außen drauf schaue.

Wer muss sich verändern?

Und noch Eines möchte ich dazu legen: ich kann mein Gegenüber nicht verändern. Ich kann nur mich selbst verändern und mein Verhalten. Im übertragenen Sinn heißt das, wir können den Balken aus unserem Auge ziehen, aber wir sollten uns hüten, den Splitter im Auge unseres Gegenüber anzurühren – außer er bittet uns darum oder unser Motiv ist Liebe.

Vor zwei Wochen hat Philip bei seiner Predigt zu einem anderen Teil der Bergpredigt sinnhalber gesagt: Liebe verändert alles!

Ja, das ist wahr.

Die Liebe zum Nächsten, das ist die Grundvoraussetzung, den Splitter im Auge des Anderen entfernen zu können.
Wenn ich mein Gegenüber aus Liebe und mit Liebe darauf hinweise, dass er einen Splitter im Auge hat, dann überlege ich mir natürlich, wie sage ich es, dass es hilfreich ist. Damit ist nicht gesichert, dass es auch hilfreich ankommt, oder dass mein Gegenüber sagt: vielen Dank für den Hinweis. Aber es ist eine wichtige Grundvoraussetzung vorhanden.

Vertrauen
Liebe
Barmherzigkeit

das sind die Grundlagen für gelingende Kritik, für korrigierendes Eingreifen, für die Schlichtung eines Konfliktes.

Wie würde der Konflikt mit Griechenland aussehen, wenn zwischen denen die da miteinander verhandelt haben Vertrauen gewesen wäre? Wenn jede Seite sich an die eigene Nase gefasst hätte und eingesehen und bekannt, wo sie falsch gelegen sind, wo was schief gelaufen war? Wenn die EU versucht hätte zu verstehen, warum die Griechen nicht mehr mitmachen wollen? Wenn die griechische Regierung versucht hätte zu verstehen, warum die Geldgeber bestimmte Veränderungen fordern bevor sie weiter Geld geben?

Wie würde der Krieg in der Ukraine aussehen, wenn zwischen Russland, EU, USA und der Ukraine vollstes Vertrauen bestehen würde? Wie würde er aussehen, wenn alle Beteiligten überlegen würden, was ist denn das Beste für die Menschen in der Ukraine?

Was wäre gewesen, wenn die Lehrerin (welche die Hefter der Schüler verschlamppt hatte) persönlich zu den Schülern gegangen wäre und sich entschuldigt hätte?

Wie wäre das für die Opfer des KZ , wenn der Aufseher Görning sich und dann auch den Hinterbliebenen eingestehen könnte, dass sein Handeln falsch war?

Wie wäre das Echo in der Presse gewesen, wenn die Redakteure ihr eigenes Verhalten zum Maßstab gemacht hätten um Uli Höneß zu beurteilen?

Vielleicht denken Sie an eine Situation aus ihrem Leben, die verfahren erscheint. Die schmerzlich ist. Vielleicht erinnern Sie sich gerade an eine Sache, wo der Spruch: Ehrlich währt am längsten, von Ihnen nicht berücksichtigt worden ist. Oder wo Sie jemand anderen verurteilt haben oder beurteilt ohne sich klar gewesen zu sein, dass auch Sie selber ein Sünder sind?

Ein Konflikt ist nie die Schuld einer Seite, sondern immer sind beide Seiten (oder alle Seiten) beteiligt und verantwortlich. Wie betrachten wir unseren Feind? Unser Gegenüber? Sehen wir ihn mit Barmherzigkeit und Liebe an?

Ich wünsche uns allen, dass wir den Balken in unserem Auge erkennen.

Amen

Foto von David Boca auf Unsplash

  • 1
    Matthäus 7, 3-5
  • 2
    Johannes 8, 3ff

Andreas Peschke

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Sven Grewis

Hey Andi,
Den Text sollteman sich immer wieder als Lesevorlage zu sich nehmen. Danke für deine ehrliche und guten Worte.

Liebe Grüße,
Sven

Heidi

Hi Peschie, super Predigt, der Balken im eigenen Auge gehört definitiv als Erstes raus. Warum noch außer den von Dir erwähnten Gründen? Nur mit geklärtem Blick können wir erkennen, ob unsere Medien die Geschichten der Welt neutral wiedergeben, diese verzerren oder gar lügen, dass sich – um im Bilder zu bleiben – die Balken biegen. Was noch vielen mangelt, und wozu ich Jesus inständig bitte: der WILLE zu erkennen -> zu zweifeln -> zu ändern. Auf dass aus den Friedens-Tauben Friedenstauben werden.

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